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Auf dem Gipfel
Sonnenaufgang und Schatten des Everest
Alexander bei einer Säuberungsaktion im Lager 2
TOPtoTOP Global Climate Expedition Member Alexander Hug aus Sargans erreichte den Gipfel des höchsten Berges der Welt, Mount Everest 8848 m, kurz nach seinem 35. Geburtstag am 23. Mai um 6.36 h. Der Expeditionsleiter Dario Schwörer begleitete ihn bis auf 8000 m, wo er mit seiner Frau Sabine Kontakt hatte, die ihm für den weiteren Aufstieg starke Winde prognostizierte, sodass er sich für die Umkehr entschied und sich auf dem Retourweg erneut aufs Aufräumen konzentrierte.
Der Schwerpunkt der drei monatigen Expedition in der Everestregion waren die Aufräumaktionen mit Freiwilligen und Einheimischen im Khumbutal. Daneben wurden treu der TOPtoTOP-Tradition Schulen besucht, Zeichnungswettbewerbe für ein besseres Klima abgehalten und eine Rettungsaktion vom Südsattel koordiniert. All dies war nur möglich, dank den Hauptsponsoren des TOPtoTOP Everest Clean-up 2010: SGS, Victorinox und Mammut!
Alexander und Dario im Südsattel
Hier der Tagebucheintrag von Dario über die Zeit der Besteigung:
„Alexander und ich verliessen den Clean up Trupp und ich damit die Familie am 27. April in Khumjung erneut Richtung Everest Basislager. Der Abschied war schwer und es flossen die Tränen.
Sabine hat in ihrem Base Camp, dem Sherpadorf Khumjung, in der Folge die Wetterdaten von Meteotest aus Bern analysiert und uns das Wetter durchgegeben. Das erste Wetterfenster am 17. Mai brauchten wir ja für die Bergung von Gianni. Am 22. Mai sah es mit dem Wind jedoch gut aus. Alexander und ich waren am 19. im Lager 2 und versuchten 2 Sherpas zu gewinnen, die mit uns nonstop vom Lager 2 zum Gipfel gingen; – leider erfolglos. So schlossen wir uns den zwei Österreichischen Bergführern Robert und Sepp an, die am 21.5. ins Lager 3 wollten, nachdem sich die stürmischen Winde vom 20. Mai gelegt hatten. Die Wartezeit nutzten wir wiederum für eine Aufräumaktion im Lager 2. Dank optimalen Bedingungen in der Lhotseflanke kamen wir am 21. gut ins Lager 3 und einen Tag später in den Südsattel. Wir waren beide topfit und freuten uns, da der Gipfel einem von da zum Greifen nahe erscheint.
Lager 3 în der Lhotseflanke unterhalb Südsattel mit Everestgipfel im Hintergrund
Nachdem wir unser Zelt im Lager 4 eingeräumt hatten, lieh mir ein Bergführer aus Alaska gegen eine Tafel Ovo-Schokolade sein Satellitentelefon, damit ich Sabine erreichen konnte. 30 km/h Wind auf dem Gipfelgrat haben wir uns als Grenze gesetzt, nachdem uns renommierte Höhenbergsteiger diese Limite als bewährte Grösse angegeben haben. Mehr Wind, da oben sei fahrlässig, berieten sie uns.
So war ich gespannt auf die Wetterdaten von Sabine und war mir schon sicher, dass der 23. Mai der Tag der Besteigung wird, – nichts stand im Weg für ein super Bergerlebnis.
Wie eine Faust ins Gesicht waren dann die 37 km/h und in einem andern Modell war es sogar 40km/h Wind, die nach Mitternacht auf 8500 m herrschen sollten. Sabine und ich treffen so wichtige Entscheidungen, die unsere ganze Familie hart treffen können, immer gemeinsam. Am Berg wie auf See ging es gerade deshalb in den letzten 8 Jahren unfallfrei, weil wir die Grenzen der Natur respektierten: Beim Start im Jahre 2002 mit Swiss TOPtoTOP, wo wir hauptsächlich auf Skitourenskiern jeden Kantonsgipfel erreichten, mussten wir lernen in einer Hütte auch mal zu warten bis die Lawinengefahr auf “mässig” zurück ging und wir über den nächsten Pass weiterziehen konnten. Das Gleiche ist es auf See, wo wir den sicheren Hafen nicht verlassen, wenn am nächsten Tag eine Sturmfront angekündigt wird und die Ruhe vor dem Sturm einem zum romantischen Auslaufen verleiten will. Wir gehen nicht und bleiben im Hafen.
DieseGedanken und Bilder versuchte ich in diesem harten Moment vor Augen zu halten, konnte die Tränen aber nicht unterdrücken und weinte. Die ganze Mühe mit der Planung bis hin zur Organisation des geeigneten Materials. Dann in grösster Hitze mit dem Fahrrad von Kalkutta durch Indien bis Katmandu und weiter an den Fuss des Everest bis die Strasse fertig war und es dann zu Fuss weiter ging…und jetzt steht man auf 8000 m, mit dem Druck, das letzte Wetterfenster vor dem Monsun zu verpassen, falls man jetzt nicht weiter geht. Es ist doch sonst auch immer gegangen…
Plötzlich bin ich aus meinem Senieren aufgewacht. Es hat Alarmgeschlagen in meinem Kopf. Solche Gedanken sind gefährlich. Was heisst hier “es ist sonst auch immer gegangen”? Ja, es ging immer gut, dank Gottesbewahrung und weil wir die Grenzen der Natur respektierten. Warten können ist Gold, Zeitmangel ist Gift.
In diesem Augenblick sind mir die Worte “ich drehe um” schon über die Lippen gerollt. Ich spürte die Erleichterung bei Sabine auf der anderen Seite des Hörers. Die Last der Verantwortung bei der Analyse der Wetterdaten lag bestimmt schwer. Auch mir fiel ein Stein vom Herzen und mir wurde klar, dass ich Frau und Kinder lieber habe als der höchste Berg der Welt, dass sie für mich das Wichtigste sind auf Erden; – vielleicht das grösste Kompliment eines Bergführers an seine Frau (smile).
Dies war eine meiner härtesten Entscheidung meines Lebens, und ich denke, ich bin darin mehr gewachsen, als wenn ich den Weiteranstieg unter die Füsse genommen hätte.
Ich bin dann zu Alexander gegangen und den beiden österreichischen Bergführerkollegen Robert und Sepp und habe ihnen gesagt, dass ich eine positive und eine negative Nachricht für sie hätte: Die Gute sei, dass sie mehr Sauerstoff hätten und die Schlechte, dass wir uns nicht alle vier auf dem Gipfel in die Arme schliessen können. Sie haben sofort verstanden. Sie wollten den Grund wissen und ich gab Ihnen die Winddaten von Sabine durch. Die Fakten waren auf dem Tisch, der Wind als grösste Gefahr im Endanstieg bekannt, da man sich in der Jetstream-Zone bewegt. Er bläst einem weg bzw. ist in Zusammenhang mit der Kälte Ursache für abgefrorene Finger und Zehen.
Alexander, Robert und Sepp sprachen die Hoffnung aus, dass es sicher nicht so schlimm kommt und dass der Wetterbericht für den 17. Mai ja auch mehr Wind angesagt hätte und dann gab es ja einen Bombentag? Es wurde spekuliert… Ich denke nicht, dass es der Sauerstoffmangel ist, die harte Fakten mit der Höhe aufweichen lassen. Ich denke es ist vielmehr der Wunsch endlich auf dem Gipfel zu stehen, nachdem man schon bald 2 Monate im Basislager auf ein Wetterfenster wartet. Man beginnt dann nur noch das zu Sehen, was man will.
Ich hatte dabei sicher den Vorteil, dass ich selten im Basislager war. Meine Prioritäten lagen anfänglich bei der Aufräumaktion, den Schulbesuchen und dann bei der Bergung des Schweizers vom Südsattel. So war ich abgelenkt und nicht immer auf den Gipfel fixiert. Weiter kam hinzu, dass ich zweimal den langen Weg zur Familie nach Khumjung auf mich nahm. Dies war nicht nur gut für die Fitness, sondern auch fürs Gemüt. Das Lachen der drei Kinder war mein Doping. Ich brauchte keine Infusionen, Pülverchen und Tabletten.
Kurz vor dem Abstieg gingen meine Emotionen in mir doch nochmals hoch. Es brodelte in mir. Ich habe mich so genervt: So nahe dran, gesund und fit, nach bald 3 Monaten in der Region super akklimaitsiert und gegenüber den 150 anderen Bergsteigern, die auch im Südsattel übernachteten, mussten sich Alexander und ich konditionell bestimmt nicht schämen. Ich wollte doch den Clean-Up-the-World-Sack unbedingt zum Gipfel nehmen? Ich fragte mich, ob ich in meinem Leben wohl nochmals so fit sein werde?….aber eben der verfluchte Wind.
Aber dann, einen Augenblick später, war ich plötzlich auch etwas stolz und wusste, wenn ich unter diesen Voraussetzungen am Everest umkehren kann, dann kann ich es überall und ich spürte die Essenz des Überlebens und hob meine Füsse und schlug die Steigeisen mit Frontzacken nach unten ins Eis. Wir umarmten uns gegenseitig ein letztes Mal unter Tränen. Ich nahm meinen Abfallsack in die Hand, nahm symbolisch auch etwas Abfall vom Südsattel mit und begann ein schneller Abstieg durch die Lhotse Flanke getrieben von Frau und Kinder weit unten im Tal. Ich ging hoch konzentriert und vorsichtig, kontrollierte die Verankerung jeder Abseilstelle und hängte mich in jedes bestehende Fixseil ein und hatte weiter unten Gottes Bewahrung im Eisabbruch, als ein Serac vor mir zusammenstürzte. – Ich weiss, dass Gott einem Hilft, wenn man seine Aufgabe sorgfältig und gewissenhaft macht. – Sabine, Salina, Andri und Noé sind meine beste Lebensversicherung und ich weiss nach diesem Erlebnis, dass ich immer zu ihnen zurückkehren werde. Nach 3 Tagen konnten wir uns im Sherpa-Dorf Khumjung alle wieder in die Arme schliessen.
Reste von Zelten im Lager 3 nach einem Sturm
Die andern gingen am frühen Abend des 22. Mai los Richtung Gipfel. Jeder begleitet von einem Sherpa mit zusätzlichem Sauerstoff. Ich gab Ihnen den Tipp schnell zu sein, da die Winde nach Mitternacht gemäss Prognose zunehmen würden. Leider gab es noch 150 andere Bergsteiger, d.h. man kann nicht sein eigenes Tempo gehen. Jeder ist am Fixseil, wie im Gänsemarsch geht’s im Zeitlupentempo Schritt für Schritt in die Unendlichkeit der Dunkelheit. Hat jemand weiter vorne eine Schwäche stockt dies die ganze Kolone. Kommt der Hillary Stepp gibt es sowieso Stau, weil nicht alle wirkliche Kletterer sind. Alexander erzählte mir, dass sie deshalb erst gegen 6.36 h auf dem Gipfel waren. Sepp hätte sich an 3 Fingern Erfrierungen geholt und er selber hätte etwas mit den Zehen. Er denkt aber, dass es nicht weiter schlimm sei. Nach der kalten und strengen Nacht kamen sie dann am 23. Mai wieder zurück zum Südsattel. Dorjee Sherpa erzählte mir, dass sie dort nochmals übernachteten, da sie wegen dem starken Wind die Zelte nicht abbrechen konnten. Erst am 24. Mai ist der Weiterabstieg möglich. Am Abend erreiche ich Alexander und gratuliere ihm und den beiden Österreichern Robert und Sepp zum Gipfelerfolg und wünsche ihnen schnelle Besserung der Zehen und Finger. Alexander sagt mir, dass er sehr müde sei und sich nun weiter unten auf ein Yak Steak freue…
Am Abend im Bett fragt mich Sabine, ob ich nicht enttäuscht bin, doch nicht oben gewesen zu sein. Ich flüstere ihr ins Ohr: Der Wind hat entschieden, derselbe gute Wind der die Pachamama über all die Meere getragen hat. Er ist stärker als wir, und es ist gut, ihn als Freund zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Wetterprognose eintrifft ist höher, als dass sie nicht eintrifft und damit haben wir gemeinsam richtig entschieden. Denn wäre ich weitergegangen und die Prognose wäre eingetroffen und etwas wäre passiert, – dann wäre unser Freund der Wind, für immer zu unserem Feind geworden…”
Sabine’s Tagebuch mit Wetteranalyse